Hans G. Ulrich, Kritisches zu Heinrich Bedford-Strohms Vorwort zur neuen Luther-Bibel: „Das Buch ist nicht „uns (d.h. den Christen) heilig“, wie das Vorwort sagt, sondern es ist die „Heilige Schrift“, das heißt Gottes Wort, die Schrift, die Gott heiligt. Man kann alles einfach und doch radikal anders sagen. Es wäre dann auch die Gesamt-Perspektive eine andere als dass die Bibel „zum Leben hilfreich“ sein möge, statt, dass sie das Buch eben mit jener Botschaft ist, die zum Glauben ruft und den Glauben trägt.“

Hans G. Ulrich, emeritierter Professor für Systematische Theologie und Theologische Ethik an der Universität Erlangen-Nürnberg, hatte mich auf das Vorwort von Heinrich Bedford-Strohm zur neuen Luther-Bibel aufmerksam gemacht. Hier seine eigene Kritik:

Das Vorwort, das Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, in der neuen Luther-Bibel veröffentlicht hat, verdient eine intensive Diskussion. Ich denke nicht, dass der erste Absatz auch nur einen haltbaren Satz enthält. Man kann die Bibel nicht so von einer Art historischen Standort aus charakterisieren. Enthält die Bibel wirklich „Erzählungen vom Werden der Welt?“ (Sie redet von der Schöpfung, nicht von der „Welt“, die Kategorie gibt es dort nicht) Enthält sie „Gesetzestexte“ (naja, sie enthält Gebote, die auch in „Gesetzen“ zur Entfaltung kommen), enthält sie „Visionen von einer neuen Welt“ (sie enthält prophetische Verkündigung) … usf.?

In einer Bibel, die Luther übersetzt hat, ist nun im Vorwort zu lesen, dass im Mittelpunkt des Alten Testaments, „die Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel“ steht, und dass es im Neuen Testament „um Jesus Christus geht“. Gibt es zwischen diesen „Teilen“ einen Zusammenhang, oder ist die Bibel, die zwei Teile hat, nicht ein Ganzes? Luther hat jede Zeile auch im Alten Testament daraufhin übersetzt, dass darin ein „Evangelium“ enthalten ist, auch in den Geboten, die er selbst als Gebete gebetet hat.

Das Vorwort ist so geschrieben, als sollte es die erreichen, die noch nie etwas von diesem Buch gehört haben und jetzt erfahren, dass es eine große geschichtliche Bedeutung hat. Aber eben denen, die davon wenig oder nichts wissen, wird die nötige Information nicht gegeben, nämlich, dass die Bibel ein Ganzes ist, und dass die ganze Bibel die Botschaft von dem Gott ist, der Israel erwählt hat, mit ihm eine Geschichte eingegangen ist und in Jesus Christus alle Menschen in diese Geschichte hineinruft. Wie man das eben formulieren kann, was aber wirklich nicht schwer sein dürfte. Die Bibel ist hier eine „ganze Bibliothek“ (ist das ihre Ganzheit?). Sie „bringt den Menschen die Botschaft von Gottes Liebe und Barmherzigkeit“ – das passt dann zu der unklaren Kennzeichnung der beiden „Teile“. Es wäre ja möglich gewesen zu sagen, „die Bibel bringt den Menschen die Botschaft von Gottes Liebe und Barmherzigkeit in seiner Geschichte mit seinem Volk Israel und allen Menschen, die er in Jesus Christus in diese Geschichte beruft, von der Schöpfung bis zum Kommen seines Reiches.“

Das Buch ist nicht „uns (d.h. den Christen) heilig“, wie das Vorwort sagt, sondern es ist die „Heilige Schrift“, das heißt Gottes Wort, die Schrift, die Gott heiligt. (Von den Psalmen hat Luther gesagt, dass der Heilige Geist sie den Betern ins Herz geschrieben hat …) Man kann alles einfach und doch radikal anders sagen. Es wäre dann auch die Gesamt-Perspektive eine andere als dass die Bibel „zum Leben hilfreich“ sein möge, statt, dass sie das Buch eben mit jener Botschaft ist, die zum Glauben ruft und den Glauben trägt.

Ich denke nicht, dass damit nur orthodoxe Berichtigungen angezeigt wären, sondern die einzige treffende hermeneutische Perspektive, weil jene allgemeine vom Buch der Weltgeschichte und vom Gott der Liebe und Barmherzigkeit und den Christen als ihrem heiligen Buch den Inhalt der biblischen Botschaft verschwinden lässt. Jeder, der diese Bibel in den Gemeinden vorstellt, hätte die einfache Aufgabe, ein eigenes Vorwort zu präsentieren. Die Vorworte Luthers zur Bibel, die in der Jubiläums-Bibel abgedruckt sind, sprechen ohnehin ihre eigene Sprache.

Hier Prof. Ulrichs Kritik als pdf.

Meine eigene Anfrage an Heinrich Bedford-Strohms Bibelverständnis finden sich hier.

3 Kommentare

  1. „Luther hat jede Zeile auch im Alten Testament daraufhin übersetzt, dass darin ein „Evangelium“ enthalten ist, auch in den Geboten, die er selbst als Gebete gebetet hat.“ Und zugleich hat er bestritten, dass das Judentum das Alte Testament sachgemäß auslegt. Er hat empfohlen, die Synagogen zu verbrennen und noch in seinen letzten Lebenswochen hat er dafür gesorgt, die letzten Juden dort zu vertreiben.
    Ich will damit sagen: Auch wenn man jeden Vers des AT auf das Evangelium hin prüft, kann man es grausam verraten, so wie es Luther in dieser Hinsicht leider getan hat. Selbstverständlich gehören AT und NT zusammen. Aber gerade weil Luther im Blick auf das Judentum so schnändlich versagt hat, muss man es extra betonen, dass nicht das Christentum Gottes Volk im AT ist, sondern eben das Gott sich sein Volk gesucht hat, das wir im AT bleibend finden und mit dem wir durch das NT verbunden sind.

    Man kann es mit seiner Kritik auch übertreiben.

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