Neue Luther-Bibel 2017: Warum ist eigentlich David immer noch bräunlich? (1Samuel 16,12): „Für Luther könnte Grund zur Vermeidung der Haar­farbe ‚rot‘ bezüglich David ge­wesen sein, dass auf spätmittelalterli­chen Bildern Judas als Verräter durch die rote Haarfarbe ge­kenn­zeichnet ist.“

Neue Luther-Bibel 2017: Warum ist eigentlich David immer noch bräunlich? (1Samuel 16,12)

In der neuen katholischen Einheitsüberset­zung 2017 wird in 1Samuel 16,12 eine fäl­lige Revision vollzogen: „David war röt­lich, hatte schöne Augen und eine schöne Gestalt.“ 1980 hieß es noch, dass David blond gewesen sei. Englischsprachig hin­gegen war es schon immer unstrittig, dass David „ruddy“, also rötlich ausgese­hen hatte. Und auch in der Zürcher Bibel von 2007 steht zu lesen: „Er war rötlich, mit schönen Augen und schön anzusehen.“ In der neuen Luther-Bibel 2017 lesen wir dagegen: „Und er war bräunlich, mit schö­nen Augen und von guter Gestalt.“ Wahre Luther-Treue könnte man meinen, hieß es doch schon in der Luther-Bibel von 1545: „Vnd er war braunlicht mit schönen augen / vnd guter gestalt.“

Bräunlich statt rötlich. Damit steht man nicht nur bei den deutschsprachigen, son­dern auch bei allen anderssprachigen Bi­belübersetzungen ziemlich einsam da. Das hebräische Adjektiv admoni hat in der Tat einen etymologischen Bezug zu „Erde“ (adamah). Als man in Witten­berg das Alten Testament unter Rückbezug auf den hebräischen Text übersetzte, optierte man bezüglich Davids Haarfarbe entgegen der lateinischen Vulgata (rufus) bzw. der grie­chischen Septuaginta (pyrrakes) für die Erdfarbe „bräunlich“, was ja einem ge­wöhnlichen deutschen Ackerboden ent­spricht. Dass in der Levante jedoch der Boden durch den Eintrag von rotem mine­ralischem Staub aus der Sahara- und Sahel-Region rötlich gefärbt ist (terra rossa – vgl. Arieh Singer, The Soils of Israel, Berlin Heidelberg: Springer 2007, S. 91-106), konnte man im frühneuzeitlichen Witten­berg nicht wissen.

Aufschlussreich ist nun, dass in der Luther-Bibel (1545/2017) in 1Mose 25,25 bezüg­lich Esau das hebräische Adjektiv admoni traditionsgemäß mit „rötlich“ übersetzt wird, während sich das selbe Wort bezüg­lich David eben in „bräunlich“ (1Samuel 16,12; 17,42) verwandelt hat. Für Luther könnte Grund zur Vermeidung der Haar­farbe „rot“ bezüglich David ge­wesen sein, dass auf spätmittelalterli­chen Bildern Judas als Verräter durch die rote Haarfarbe ge­kenn­zeichnet ist. Und auch Esaus rötliche Haarfarbe wird in der Kir­chengeschichte moralisch abgewertet, so wenn der Kir­chenvater Ambrosius schreibt: „Esau näm­lich war der Typus der Bosheit, Jakob wie­derum trug die Gestalt der Güte.“[1]

Nein, das ist kein Ausweis übersetzerischer Treue und Genauigkeit, wenn eine kultur­ge­schichtliche Diskriminierung der roten Haarfarbe in verdeckter Weise in der neu­en Luther-Bibel 2017 fortgeschrieben wird.

[1] „Esau enim typus erat malitiae, Iacob figuram bonitatis gerebat“ (De Cain et Abel, PL 14,I,4). Vgl. Ralf Junkerjürgen, Haarfarben. Eine Kultur­geschichte in Europa seit der Antike, Köln: Böhlau, 2009, 37-40.

Hier der Text als pdf.

In gekürzter Fassung unter dem Titel „Braun oder rot?“ in Christ in der Gegenwart veröffentlicht.

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